Wörterbuch
Klärung einiger wichtiger Begriffe der Jung´schen Psychologie
Zitate stammen aus C.G. Jung GW, Bd. 6, Walter Verlag 1995
Das Unbewußte
Jung meint mit dem Begriff des Unbewußten all jene psychischen
Inhalte, die unserem bewußten Ich nicht verfügbar sind. Dies sind
einerseits persönliche, verdrängte, ungeliebte Erfahrungen und Gefühle
unseres Wesens, andererseits kollektive, archetypische Eigenschaften,
die ihren Ursprung in der Gehirnstruktur haben. Jung spricht hierbei
auch von jenen "mythologischen Zusammenhängen", deren Bilder jederzeit
neu entstehen können. Da der Mensch immer Teil seiner Spezies ist, sind
beide unbewußte Begriffe eng und untrennbar miteinander verbunden.
"Das Unbewußte ist meines Erachtens ein psychologischer Grenzbegriff,
welcher all diejenigen psychischen Inhalte oder Vorgänge deckt, welche
nicht bewußt sind, das heißt nicht auf das Ich in wahrnehmbarer Weise
bezogen sind. (...)". Die Funktion des Unbewußten ist es, unser
einseitiges Bewußtsein auszugleichen. "Die kompensatorische Funktion des
Unbewußten tritt um so deutlicher zutage, je einseitiger die bewußte
Einstellung ist (...)"
Individuation
"Die
Individuation ist ein Differenzierungsprozeß, der die Entwicklung der
individuellen Persönlichkeit zum Ziel hat. (...) Eine wesentliche
Behinderung der Individuation bedeutet daher eine künstliche
Verkrüppelung. (...) Da das Individuum nicht nur Einzelwesen ist,
sondern auch kollektive Beziehungen zu seiner Existenz voraussetzt, so
führt auch der Prozeß der Individuation nicht in die Vereinzelung,
sondern in einen intensiveren allgemeineren Kollektivzusammenhang." Die
Individuation hat als Prozeß eine sakrale, transzendente Tönung, sie ist
als ideales Ziel zu verstehen, das niemals vollkommen verwirklicht
werden kann und immer als Prozeß unser Leben begleiten sollte.
Die Notwendigkeit zur Individuation und die gedankliche und
emotionelle Hinwendung zu derselben, ist häufig begleitet von
symbolhaften Träumen.
Komplexe
sind für Jung die "via regia" zum Unbewußten. Komplexe sind der
Definition nach eine Ansammlung von Bildern und Vorstellungen, welche
sich um ein (oft unbewußtes) Zentrum gruppieren. Sie sind durch eine
äußerst intensive emotionelle Tönung miteinander verbunden und
beeinflussen unser Handeln und Fühlen in größtem Ausmaß.
Komplexe sind natürliche Phänomene, welche sich sowohl in positiven
als auch negativen Linien entwickeln. Wenn es dem Ich gelingt, eine
bewußte Beziehung zu seinen Komplexen herzustellen, tragen sie
wesentlich zur Vielfalt und zum Erlebnisreichtum unserer Persönlichkeit
bei. Komplexe können auch als eine Art autonome Teilpersönlichkeiten verstanden werden, welche miteinander in Dialog stehen.
Schatten
Jung definiert den Begriff 1945 als das, was der Mensch nicht sein möchte.
"Jedermann ist gefolgt von einem Schatten, und je weniger dieser im
bewußten Leben des Individuums verkörpert ist, umso schwärzer und
dichter ist er. Wenn eine Minderwertigkeit bewußt ist, hat man immer die
Chance, sie zu korrigieren. Auch steht sie ständig in Berührung mit
anderen Interessen, sodaß sie stetig Modifikationen unterworfen ist.
Aber wenn sie verdrängt und aus dem Bewußtsein isoliert ist, wird sie
niemals korrigiert. Es besteht überdies die Gefahr, daß in einem
Augenblick der Unachtsamkeit das Verdrängte plötzlich ausbricht. Auf
alle Fälle bildet es ein unbewußtes Hindernis, das die bestgemeinten
Versuche zum Scheitern bringt."
Der Schatten läßt sich nicht ausrotten, wir sollten versuchen, ihn uns zum Freund zu machen.
Geschützter Raum
Eine jungianische Analyse ist ein dialektischer Prozeß, in welchem
beide TeilnehmerInnen gleich betroffen sind und eine Interaktion
eingehen. Bewußte und unbewußte Anteile treten in Beziehung zueinander
und ermöglichen in dem geschützen Rahmen der therapeutischen Beziehung
das Ausprobieren neuer Verhaltens- und Gefühlsmuster. Die therapeutische
Beziehung unterliegt gesetzlich (PthG § 15) der
Verschwiegenheitspflicht.
Projektionen
"Projektion bedeutet die Hinausverlegung eines subjektiven Vorganges
in ein Objekt.; (...) sie spielt eine Hauptrolle bei der Paranoia (...)
und kann zur Isolierung der Person führen."
Schwierige, meist unbewußte Gefühle und Eigenschaften (Schatten) einer
Persönlichkeit werden bei anderen Menschen (äußeren Objekten)
wahrgenommen und dort bekämpft. Dadurch erlebt das Individuum eine
(vorübergehende) Erleichterung. Projektionen sind sowohl im
Persönlich-Individuellen als auch im Politisch-Gesellschaftlichen häufig
zu beobachten und zeigen den Anteil unbewußter Eigenschaften und
Komplexe (einer Person oder Gesellschaft) auf.
Traum
Wie
Freud verwendete auch Jung Assoziationen für das Verständnis der
Träume. In Weiterentwicklung dessen Theorien variiert er diese Technik
jedoch unter Berücksichtigung der Komplexe. Zur (persönlichen)
Assoziation fügt sich die (allgemein - menschliche, archetypische)
Amplifikation durch Mythen, Geschichten und anderes kulturelles
Material. Traumsymbole können immer nur individuell verstanden und
aufgelöst werden - nur die Träumerin / der Träumer kann diese
Botschaften ihres / seines eigenen Unbewußten (im Zusammenspiel mit dem
kollektiven Ubw.) entschlüsseln.
Aktive Imagination
und künstlerische Gestaltung unbewußten Materials sind integrativer
Teil der Analytischen Psychologie. Sowohl das Gestalten mit Ton, Papier
und anderen Materialien, als auch Zeichnen und Malen können Ausdruck
unbewußter Nachrichten sein. Derart "veranschaulicht" ist die
kompensatorische Funktion des Ubw. unserem Bewußtsein "mit allen Sinnen"
zugänglich.
Archetypen
Der Archetyp ist ein psychosomatisches Konzept, das Körper und Seele,
Instinkt und Bild miteinander verbindet. In der künstlerischen und
psychischen Bildersprache nehmen sie Gestalt und Form an, als
Verhaltensweisen können wir sie vor allem in Krisen beobachten. Mythen
sind archetypische Inszenierungen, in welchen sich die Inhalte des
kollektiven Unbewußten manifestieren (die Inhalte des persönlichen Ubw.
sind hauptsächlich in den "Komplexen" erkennbar). Archetypen sind seit
alters her vorhandene, allgemeine Bilder, die ihre Analogien auch in
anderen Wissenschaften haben (z.B. Sheldrakes "morphogenetische
Felder"). Beispiele für Archetypen sind: die Mutter, der alte Weise, der
ewige Jüngling, der Trickster.